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Sie schaut aus dem Küchenfenster. Draußen geht ein Pudel vorbei. Er sieht frisch geföhnt aus. Das Wort „gepudelt“ kommt ihr in den Sinn. Sie wird es in Ihren Wortschatz aufnehmen. Nur wofür? Sie hat keine Zeit, weiter nachzudenken. Die Milch auf dem Herd kocht über, zischt und verbreitet diesen Geruch, den sie an ihre Kindheit erinnert. Heute ist es leicht, den Ceranherd sauber zu machen. Früher war es eklig. Sie hat die Milch früher auf dem Herd trocknet gelassen. Bis Mama sie weggemacht hat. Aber jetzt kommt keine Mama mehr und macht die Milch weg. Sie gießt die Milch über ihren Espresso. Nicht so gut gelungen wie im Café, denkt sie. Dafür ist der Pudel umso schöner. Er kläfft. Seine Stimme überrascht sie. Tiefer, gewaltiger. Ungepudelt. Der Pudel schaut zum Himmel. Sie schaut zum Himmel, will sehen, was der Pudel sieht. Am Himmel fliegen bunte Cupcakes. „Nicht schon wieder!“, sagt sie und verdreht die Augen. Gerade letzte Woche hatte es wegen dieser klebrigen Dinger eine solche Sauerei im Hof gegeben, dass sie nicht mehr daran erinnert werden möchte. Übergekochte Milch ist ein Dreck dagegen. Die Cupcakes schaukeln über die Dächer. Anders als die Wolken, ziehen sie nicht mit dem Wind, alle in die gleiche Richtung, sondern fliegen munter umeinander herum, trudeln, dümpeln und folgenden keinem erkennbaren Plan. Wer die wohl alles gebacken hat? Und dekoriert? Die vorherrschende Farbe ist rosa. Natürlich. Passend zum weißen Pudel. Die kann vermutlich riechen, welcher Geschmack sich in den bunten Kringeln und Häufchen und Tupfen da oben am Himmel versteckt. Feines Pudelnäschen. Himbeere und Vanille, Zitrone, Orange und Rum. Oder täuschen uns die zuckrigen Flugobjekte und schmecken nach Kohle, Zement und zerriebenen Eisensplittern? Plötzlich kommt ein Wind auf. Er reißt den Pudel mit sich. An seiner Leine hängt ein Fräulein mit Schürze. Erst schreit sie, reißt den Mund auf, dass man ihr zitternden Zäpfchen sieht, doch plötzlich merkt sie, wie schön die Welt von oben aussieht, entspannt sich, ja, fängt sogar an ein Liedchen zu trällern, während der Wind sie über den Kirchturm hebt. Sie und den Pudel. Die beiden verschwinden im Gewühl der Cupcakes, die sich zu einem Haufen am Wetterhahn gesammelt haben und im Begriff sind, sich darauf niederzulassen. Für wie viele Cupcakes der TÜV den Wetterhahn wohl zugelassen hat? Erstaunlich, erstaunlich. Die runden Kuchen reagieren nicht auf den Wind. Als wenn der nur für Pudel und Fräulein pustete. Auch hier unten in der Küche bei der Milch geht kein Lüftchen. Dafür ein leises Zischen. Ich habe keine Ahnung, wo es herkommt. Es klingt, als käme es aus dem Schlafzimmer, kriecht unter dem Türschlitz durch. Ein hellgrünes Schimmern in der Ecke, das sich ausdehnt. Jetzt kriecht es die Wand hoch in Richtung Decke, bis zur Lampe, verschwindet im Leuchtmittel. Schlagartig ist es draußen dunkel. So dunkel wie der abgeschaltete Fernsehbildschirm. Mit einem „Pling“ schaltet sich das Deckenlicht an. Grün. Hellgrün. Giftgrün. So leuchtet es. Und hinter dem Glas des Leuchtmittels sehe ich das Fräulein. „Ich bin durch das Kabel gekrochen!“, sagt sie, den Mund verschmiert mit rosa Cupcake-Masse. Süßes Fräulein in der Lampe.
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